DÜSSELDORF/BERLIN/PRAG - Die Konzernleitung der Deutschen Bahn AG belastet den "Zug der Erinnerung" mit weiteren Rechnungen. Wie eine aktuelle Kalkulation des Trägervereins ergibt, will die DB bis zum Fahrtende rund 25 Tausend Euro für die Schienennutzung verlangen und rund 70 Tausend Euro für das Gedenken auf den Bahnhöfen erheben. Mehr als 10 Tausend Euro werden für das Abstellen der Wagen mit Fotos und letzten Briefen der Deportierten veranschlagt. Damit summieren sich die erwarteten Kosten auf über 100 Tausend Euro.
Nachdem der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages die Konzernleitung im Januar gebeten hatte, über eine Spende in gleicher Höhe nachzudenken, schien der Weg für eine Verständigung frei. (Brief) "Wir wollen den Streit unbedingt deeskalieren", sagt der Vorstandssprecher im "Zug der Erinnerung", "denn das Gedenken an die Opfer darf nicht beschädigt werden. Deswegen haben wir eine Bitte um Stundung gestellt." Aber statt auf die Zahlungen zeitweise zu verzichten, besteht die Bahn AG auf sofortiger Begleichung ihrer hohen Rechnungen. Den Brief des Verkehrsausschusses hat die Bahnspitze auch nach acht Wochen immer noch nicht beantwortet. Damit schlägt sie erneut jeden Versuch aus, zu einer stillschweigenden Verständigung zu kommen und der gemeinsamen Verantwortung für die Opfer der "Reichsbahn"-Deportationen gerecht zu werden.
Die ständige Eskalation der DB-Spitze führt zu empörten Reaktionen bei den Ausstellungsbesuchern, die ihrer Scham und ihrem Zorn in den Gästebüchern Ausdruck geben. "Tausende spenden für die Weiterfahrt des Zuges, aber bestehen darauf, daß ihr Geld das Gedenken befördert; auf keinen Fall solle damit die Bahn AG bezahlt werden", berichtet Stephan Wirtz, der den Zug seit Monaten begleitet. "Wir achten darauf, daß diese Diskussionen außerhalb der Ausstellung stattfinden, um das Gedenken an die Deportierten nicht zu stören. Aber auf den Bahnsteigen herrscht Fassungslosigkeit, wenn wir den Besuchern Rede und Antwort stehen. Wir erhalten Kopien Hunderter Beschwerdebriefe, in denen seit Monaten an die Konzernleitung und das Verkehrsministerium appelliert wird - Bittbriefe, zornige Briefe. Die Empfänger bleiben stur: kein Einlenken, keine Gesprächsbereitschaft." (Appelle)
Das Verhalten der DB-Spitze provoziert die überlebenden Opfer der "Reichsbahn"-Deportationen und deren Angehörige von Tag zu Tag mehr. In einem Schreiben aus Hessen, das an den Bundespräsidenten gerichtet ist, bietet ein Angehöriger der DB AG 20.- Euro an, um noch ausstehende Rechnungen für die Todestransporte seiner Verwandten zu begleichen. "Wir, Juden aus Halle, übernehmen für Sie die Bahnfahrtkosten", wenden sich andere Angehörige an die Konzernleitung, und fordern das Management auf, den "Zug der Erinnerung" zu besuchen. Die Bahn AG solle ihre Forderungen aus den Gewinnen finanzieren, die ihr Vorgängerunternehmen "mit den Todestransporten der erwachsenen Deportierten gemacht hat", sagt Michael Szentei-Heise von der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. (Redetext) Auch aus dem Ausland, so aus Prag, schreiben empörte Überlebende.
"Wir bedauern sehr, daß die Opfer der 'Reichsbahn'-Transporte und ihre Nachfahren auf unerträgliche Weise herausgefordert werden", heißt es im "Zug der Erinnerung", der gegenwärtig in Düsseldorf Station macht. "Wir rufen die Bahn AG und das Verkehrsministerium erneut auf, den würdelosen Streit zu beenden, der Opfer auf den früheren Deportationsbahnhöfen ohne Einschränkung zu gedenken und sich zur Verantwortung für das Fortwirken der Täter im deutschen Nachkriegsbahnwesen zu bekennen."