KASSEL/FRANKFURT - Stellvertretend für das Schicksal der 43 verschleppten Kinder aus dem heutigen Landkreis Waldeck-Frankenberg (Nordhessen) steht die kurze Lebensgeschichte von Günter Siegfried Sternberg. Günter wurde 1932 geboren und wahrscheinlich als Sechsjähriger nach Frankfurt a. M. geschickt, um dort das Philanthropin, das j üdische Gymnasium, zu besuchen. In Frankfurt wohnte Günter in dem jüdischen Kinderheim der Flörsheim-Sickel-Stiftung. Wie er die zunehmende Verfolgung im Jahr der deutschlandweiten Pogrome überstand (1938), ist unbekannt. 1940 musste Günter mit anderen Schülern "in das jüdische Waisenhaus umziehen, da das (Frankfurter) Kinderheim beschlagnahmt worden war", berichtet ein überlebender Schulfreund. "Im Oktober 1941 wurden einige Kinder, darunter auch er und Günter Sternberg, zu den Eltern geschickt, um nach Osten abtransportiert zu werden." Ihre Wohnung in Vöhl hatte die Familie Sternberg zu verlassen und musste sich in Wrexen einfinden. Die nächste Etappe der Deportation war Kassel. Wie in anderen Regionen wurde die zur Vernichtung bestimmte Landbevölkerung an die zentralen Umschlagplätze der "Deutschen Reichsbahn" beordert. Kassel war einer dieser Knotenpunkte. Am Dienstag, dem 1. Juni 1942, verließ der Bahntransport mit etwa 500 Menschen Kassel, um über Halle und Chemnitz nach Lublin geschleust zu werden. "Am 3. Juni 1942 kam der Zug in Lublin an. Die arbeitsfähigen Männer – darunter auch Günters Vater Martin – mussten dort aussteigen und wurden nach Majdanek getrieben, während der Zug mit den Frauen, Kindern und alten Männern, also auch mit Günter und seiner Mutter Rosalie, nach Sobibor weiter fuhr. Wahrscheinlich wurden sie dort innerhalb von 2 Stunden nach ihrer Ankunft vergast."