Trenul amintirilor - Поезд воспоминания - Pociąg pamięci - Train of commemoration - Zug der Erinnerung - Az emlékezés vonata - Vurdon so na bistrel nahles - o treno tis mnimis - To treno tis mnimis - Pociag pamieci - Train de la mémoire - Zuch vun der Erënnerung - Vlak uspome

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Auszug aus dem Protokoll der Wannseekonferenz

Zug der Erinnerung Ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen

Kampfbereiter Wille

Ansprache am 3. Dezember 2007 zur Begrüßung des „Zuges der Erinnerung“ in Kaiserslautern, durch den Geschäftsführer der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, Manfred Erlich

Manfred Erlich vor dem "Zug der Erinnerung"

Als Vertreter der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, nehme ich gerne die Gelegenheit wahr, heute und hier das Wort zu ergreifen. Diese ungewöhnliche Ausstellung, ist den deportierten Kindern und Jugendlichen aus ganz Europa gewidmet. Von so genannten Deportationsbahnhöfen aus wurden über 12.000 Kinder und Jugendliche aus Deutschland in die Vernichtungslager verschleppt. Mehr als eine Million Kinder und Jugendliche, mehrheitlich aus jüdischen Elternhäusern aus ganz Europa, kehrten nicht zurück. Der Zug der Erinnerung soll in mehr als 40 deutschen Städten Halt machen und dabei über 3000 Kilometer zurücklegen, bis er in der Gedenkstätte Auschwitz, etwa Mitte 2008, eintreffen soll. Beschämend ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass der Verein „Zug der Erinnerung“ neben den Kosten für die Lokomotive und die Wagen, die für die Dauer der Ausstellung angemietet wurden, auch noch für die Schienennutzung bezahlen muss!

Es ist mir ein Anliegen, Ihnen sehr verehrte Anwesenden, aus dem Unermesslichen dessen, was uns jüdischen Menschen widerfahren ist und als ein Nachfahre dieser Zeit, ein paar Gedanken, die sich mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft befassen, mitzuteilen.

Ich betrachte dies deshalb für so wichtig, weil wir Menschen Gegenwart nicht erleben könnten, wenn es keine Vergangenheit gegeben hätte, so wie es keine Zukunft ohne Gegenwart geben kann.

Heute, fast 63 Jahre nach der Shoah, gibt es natürlich nicht mehr viele Tatzeugen und noch viel weniger von denen, die damals betroffen waren. Daher ist es immer wieder wichtig, zu appellieren, wachsam zu sein, um ein solches Geschehen in Zukunft zu verhindern, denn die Welt sah tatenlos dem Treiben der Nazis zu, ohne auch nur den Versuch zu machen, rechtzeitig einzuschreiten.

In diesen Tagen und Nächten wurde die damalige Gesellschaft verantwortlich für die Ruinen, für Schutt und Asche. Doch nicht nur für ausgeglühte Gebäude, sondern vor allem für die Ruinen in den Köpfen und Herzen vieler Menschen.

Unsere Trauer über unsere ermordeten Brüder und Schwestern ist unsäglich und schnürt uns unser Herz zu. Die Erinnerungen und Bilder aus der Vergangenheit überwältigen uns, gerade weil wir wissen, dass wir jetzt in Freiheit leben können.

Es geht darum, junge Menschen zu mehr Engagement in Gegenwart und Zukunft zu ermutigen. Politiker, Lehrer und Eltern, die Medien und alle gesellschaftlichen Gruppierungen sind gefordert, Formen der Rede und des Unterrichts zu entwickeln, die den nachkommenden Generationen ihre Verantwortung vor Augen führen. Sie tragen gewiss keine Mitschuld an den Nazi-Verbrechen. Schuld vererbt sich nicht. Aber Erinnerung gibt Kraft, weil sie Irrwege zu vermeiden hilft. Nur durch das Bekenntnis zur Vergangenheit wird wirkliche geistige Freiheit und Humanität erreicht. Der bewusst verstandene historische Prozess wird dafür sorgen, dass die Bilder, auch aus einer dunklen Vergangenheit, Mahnung und Verpflichtung zur Achtung aller Menschen untereinander bleiben. Denn Vergessen ist nicht nur Versündigung an den Toten, es ist auch und insbesondere die Entmenschlichung des Menschen und trägt daher den Keim des Verderbens in sich.

Auch heute, fast 63 Jahre nach Auschwitz – wissen wir um die Notwendigkeit, die Erinnerung lebendig zu halten. Sind doch Angriffe auf Synagogen, Schändungen jüdischer Friedhöfe, Antisemitismus, Rechtsextremismus und ausländerfeindliche Übergriffe Fanale, die sichtbar machen, wie gefährlich es ist, Schlussstriche unter die Vergangenheit ziehen zu wollen.

Nur die Aufarbeitung und Bewusstmachung der Vergangenheit und ein kampfbereiter Wille zum Widerstand gegen alle antidemokratischen Tendenzen führt zu geistiger Freiheit und Humanität. Keine Entwicklung zum Frieden und zum kooperativen Zusammenleben kommt von selbst. Sie verlangt tatbereite Menschen zur rechten Zeit. Wer vor Tatsachen zurückweicht, sie zu relativieren, zu verharmlosen versucht, oder gar als nicht existent betrachtet, verliert die Orientierung.

Wir leben heute in einer Demokratie. Wir können widerstehen, ohne uns übermäßig in Gefahr zu begeben. Dazu gehören ein scharfer und kritischer Geist der Bürger unseres Staates. Wir wollen zusammenstehen, weil wir aus der Vergangenheit gelernt haben. Ich möchte den Initiatoren der Ausstellung den ausdrücklichen und tief empfundenen Dank des Vorstandes und der Mitglieder der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz für ihr außerordentliches Engagement aussprechen. Schon Molière sagte:  „Wir sind nicht nur verantwortlich für das was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“

Mögen wir eingedenk unserer Opfer, der Männer Frauen und Kinder, uns einer Zukunft widmen, die erfüllt sein möge mit Wissen, mit Verantwortung und Mitmenschlichkeit. Mögen wir alle die menschliche Stärke und Verantwortung aufbringen, die nötig ist, damit solches nie wieder geschehe!

Schließen möchte ich mit den hebräischen Worten, die uns Menschen stets an die Heilige Schrift erinnern soll:

„W’ahawta Lereacha Kamocha -- Liebe Deinen Nächsten, wie Dich selbst“