Zug der Erinnerung
Ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen
In Kooperation mit:
Zwischen 7. März und 12. April 1945 ermordeten Polizeibeamte in einem Dortmunder Stadtwald etwa 300 ausländische Zwangsarbeiter und Angehörige des deutschen Widerstands. Die Morde fanden wenige Tage vor der Befreiung statt. Über das Gedenken und den Einfluss der Erinnerung auf die Gegenwart sprachen wir mit Andreas Roshol. Er ist Projektkkordinator beim Jugendring Dortmund.
ZdE: An der diesjährigen Ehrung der Ermordeten nehmen in Dortmund Jugendliche teil, die sich als „Botschafter_innen der Erinnerung“ verstehen. Warum „Botschafter“?
Roshol: Diese Bezeichnung kam zustande, nachdem Dortmunder Jugendliche 2010 von einer Fahrt zur Gedenkstätte Auschwitz zurückkehrten. Sie waren mit dem „Zug der Erinnerung“ nach Auschwitz gefahren und was sie von dort mitbrachten, war eine Botschaft: Wir sind in der Pflicht. Wir wollen auch andere in die Pflicht nehmen: sich zu erinnern und vor allem – zu handeln.
Wie ist das in Dortmund angekommen?
Roshol: Diese Jugendlichen haben sich an den Oberbürgermeister gewandt mit der Bitte, ihnen zuzuhören. Sie haben ihm vorgeschlagen, ihn nach Auschwitz zu begleiten, um auf kommunaler Ebene Konsequenzen zu ziehen.
Und?
Roshol: Er hat es gemacht. Die Botschaft ist angekommen. Deswegen der Name. Inzwischen sind es 80 Dortmunder Jugendliche, die als „Botschafter_innen der Erinnerung“ unterwegs sind und diesen Titel auch öffentlich verliehen bekommen.
Welche Aktivitäten sind im laufenden Jahr geplant?
Roshol: Wir suchen die Spuren deutscher Opfer, die nach den Massendeportationen aus dem NS-“Durchgangslager“ Westerbork in die Nazi-Vernichtungslager ermordet wurden. Das ist 70 Jahre her. Wer waren diese Menschen? Wer waren die Täter? Erinnerung muss immer wieder aktualisiert werden, konkret werden, sonst verkommt sie zu einem leeren Ritual. Erinnerung bezieht sich auf jeden einzelnen Menschen, dem Unrecht geschehen ist oder der Unrecht beging. Opfer wie Täter.
Gibt es Dortmunder Opfer?
Roshol: Mich persönlich berührt die Geschichte der Familie Pinkus. Ein junges Ehepaar, das bereits 1933 in die Niederlande geht, in Amsterdam ein kleines Lebensmittelgeschäft eröffnet und und mit seinen beiden Kindern dem deutschen Rassismus entkommen zu sein scheint. Aber als die NS-Wehrmacht die Niederlande besetzt, werden sie erst nach Westerbork verschleppt, dann in die Vernichtung. Die Kinder waren 8 und 10 Jahre alt, als sie ermordet wurden.
Gibt es Dortmunder Täter?
Roshol: Die meisten der Dortmunder Mörder, die den Tod der 300 Zwangsarbeiter und deutschen Widerständler zu verantworten haben, konnten sich der Sühne entziehen. 15 von 27 Angeklagten wurden freigesprochen, keiner wegen Mordes oder Beihilfe zum Mord verurteilt. Ob bei den Massendeportationen aus Westerbork auch Täter aus dem heutigen NRW beteiligt waren, wissen wir noch nicht.
Wie werden Sie die Dortmunder Opfer ehren?
Roshol: Siebzig Jahre nach den Deportationen wollen wir nach Westerbork fahren und den holländischen Hinterbliebenen zeigen, dass wir nicht vergessen haben. Es ist eine Verpflichtung, die uns bei unseren ständigen Aktivitäten gegen Rassismus und nationalistischen Größenwahn motiviert.