Zug der Erinnerung
Ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen
In Kooperation mit:
Anläßlich der Einweihung einer Gedenkplakette hielt der "Zug der Erinnerung" am 9. November 2015 auf dem Chemnitzer Hauptbahnhof die folgende Rede:
Über 3 Millionen Menschen hat die Deutsche Reichsbahn in die Vernichtungslager deportiert, darunter mehr als 1 Million Jugendliche und Kinder. Diese 3 Millionen: das ist die Hälfte der Opfer der Shoa.
Die Shoa begann nicht erst hinter den Zäunen von Auschwitz, Treblinka oder Terezin - die Shoa begann spätestens auf den Bahnhöfen.
Ohne die Transporte der Reichsbahn wären die Morde in dem ungeheuren tatsächlichen Ausmass nicht durchführbar gewesen. Die Millionen Menschen in die Vernichtung zu expedieren - dazu bedurfte es technischer Intelligenz, logistischer Präzision und struktureller Arbeitsteilung. Dies sind wesentliche Elemente der deutschen Verbrechen.
Die Verbrechenskosten tilgten die Deutsche Reichsbahn und der deutsche Staat aus dem geplünderten jüdischen Vermögen. Die historischen und juristischen Verbrechenserben, die Deutsche Bahn AG und der deutsche Staat, weigern sich bis heute, diese Beute zurückzuerstatten. Aber ohne Anerkenntnis der Schuld und der Schulden werden die Verbrechen niemals vergehen.
Es ist ein mutiger Schritt des Bahnhofsmanagements von Chemnitz, dass es sich der Erinnerung stellt. In vielen anderen deutschen Bahnhöfen hält die Erinnerungsabwehr auch 70 Jahre nach den Verbrechen an. Dank gebührt in Chemnitz insbesondere dem Bürgerverein, der Jüdischen Gemeinde, dem DGB und der VVN, deren zivile Entschlossenheit die Erinnerung an die aus Chemnitz deportiert Menschen in den Mittelpunkt der städtischen Verpflichtung rückte.
Was wir heute hier tun, kann diese deportierten Menschen aus Chemnitz nicht zurückbringen und ihren Tod nicht ungeschehen machen. Auf den Gräberfeldern von Auschwitz, Treblinka oder Theresienstadt kommen unsere Taten zu spät. Wir können darauf nicht stolz sein.
Was wir heute tun, tun wir für uns, bevor wir um unsere eigene Leben fürchten müssten, wenn die Wiedergänger der Faschisten von damals mehr als nur die Straßen erobern würden.
Was wir heute tun, tun wir für uns, für unsere Kinder.