Zug der Erinnerung
Ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen
In Kooperation mit:
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,
vor dem Eingang dieses Museums der Deutschen Bahn AG zu stehen, wollte man uns verbieten. Wenn es nach der Stadt Nürnberg gegangen wäre, sollten wir uns in gehörigem Abstand zu den Festaufbauten der DB AG versammeln. Mit einer doppelten Straßensperrung zu beiden Seiten sollten wir in einem Schlauch und bei nicht vorhandener Öffentlichkeit unsere Demonstration beenden. Von uns könnte eine "unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgehen", hieß es.
Wir, die wir erinnern wollen, daß die Erben der "Deutschen Reichsbahn" ihren Verpflichtungen nachkommen müssen, wir stellen eine Gefahr dar? Für wen?
Für wen ist es eine Gefahr, daß erinnert wird? Für die Opfer? Sie leben seit Jahrzehnten mit ihren Erinnerungen und Albträumen, die nicht vergehen wollen. Geht von ihnen eine Gefahr aus, von den betagten Überlebenden, die 10, 15 oder 20 Jahre alt waren, als sie in die Waggons der "Deutschen Reichsbahn" gepfercht und verschleppt wurden?
Oder geht nicht vielmehr von dieser Umgebung, in der wir uns hier befinden, eine Gefahr aus - von dieser Kulisse deutscher Geschichte, von dieser Elitenveranstaltung für mehrere Millionen Euro, deren technische Vorbereitungen hier zu sehen sind?
Die Deutsche Bahn AG und ihr Eigentümer, die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundeskanzlerin und den Bundesverkehrsminister, feiern sich. Es ist eine staatliche Selbstdarstellung, von der das zahlende Publikum, vor allem aber die Opfer des Vorgängerstaates ausgeschlossen sind. Für diese Opfer findet man billige Worte. Inflationär ist der Begriff "Verantwortung", solange Verantwortung kostenlos ist. Man spricht von "Schattenseiten" des deutschen Eisenbahnwesens. Man sagt nicht, was wirklich zu sagen wäre: Die "Deutsche Reichsbahn" war integraler Bestandteil eines Mordkomplexes. Die kriminelle Energie des Unternehmens hat Millionen Menschen mit Terror überzogen, hat die Opfer in Viehwaggons entmenschlicht, hat sie zu Schlachtvieh gemacht.
Die kriminelle Unternehmenspolitik der "Deutschen Reichsbahn" begann nicht erst mit dem 2.Weltkrieg, wie Herr Dr. Grube, der Chef des "Reichsbahn"-Nachfolgers glauben machen will. Der Unternehmensrassismus und nationalistische Größenwahn brachen sich bereits Jahre vorher Bahn. 1938 deportierte die "Reichsbahn" über 10.000 polnische Juden.
Das alles kommt hier nicht vor, wenn wir uns umsehen. Hier wird ein technisches Verständnis von Geschichte zelebriert, ohne den Preis zu benennen, den eine besinnungslose Industrialisierung gefordert hat. Lassen wir uns von der Kulisse nicht täuschen, von den Rauschebärten und den historischen Hurra-Szenen an den Wänden der Museumsvorbauten. Hier werden die Opfer hinter der Kulisse versteckt. Die wirklichen Taten und die wirklichen Täter kommen nicht vor.
Die Deutsche Bahn AG schweigt zu den Tätern. Wer waren die "Reichsbahn"-Dezernenten, die die Weichen nach Auschwitz stellten und nach 1945 zu Präsidenten der Bundesbahn wurden? Dazu erfährt man in diesem Museum nichts. Warum blieben die Sonderfahrplanspezialisten, die die Züge nach Treblinka zusammenstellten, straflos? Welche Traditionslinien führen von der Beihilfe zum Massenmord mit der "Reichsbahn" in die Bundesrepublik?
Auf diese Fragen wird hier jede Antwort verweigert. Wir sollen nicht wissen, daß die "Reichsbahn"-Täter in der Nachkriegszeit in aller Ruhe ihre Pensionen verzehrten, während die "Reichsbahn"-Opfer noch nach ihren Angehörigen suchten. Wir sollen nicht erfahren, wieviele Milliarden den "Reichsbahn"-Tätern zugestanden wurden. Vor allem sollen wir nicht erfahren, daß die "Reichsbahn"-Erben bis heute, bis jetzt, Pensionen an einen Empfängerkreis zahlen, der zu der Tätergeneration zählt. Würden die Opfer nur ein Zehntel der Täterpensionen erhalten, es ginge ihnen besser!
Die "Reichsbahn"-Erben beschweigen die Täter und decken sie materiell, indem dieser Personenkreis mit einem Anschein von Wohlanständigkeit versehen wurde und materiell weiter versehen wird.
Dieses Verhalten der "Reichsbahnm"-Erben ist nicht nur skandalös. Es stellt eine Gefahr dar - weder für die öffentliche Sicherheit noch für die Ordnung, um die sich die Stadt Nürnberg so sehr mühen. Nein, das Verhalten der "Reichsbahn"-Erben gefährdet unseren gesellschaftlichen Konsens. Denn wer Morde deckt, indem er sie beschweigt, macht die Untaten wiederholbar.
Liebe Freunde,
wir verlangen Gerechtigkeit für die "Reichsbahn"-Opfer! Wir klagen die "Reichsbahn"-Erben an, die den Opfern Brotkrumen vom Tisch ihrer Millionenfeiern in Nürnberg hinwerfen. Den Profiteuren der Shoah in den Unternehmenszentralen der Bahngeschäfte, den früheren Nutznießern der Massenvernichtung von Sinti und Roma, von geistige Behinderten und von Gegnern des nationalistischen Größenwahns rufen wir zu:
Es gibt nichts zu feiern! Scham und Schande der DB AG!