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Zug der Erinnerung
Ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen

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Interview

Wir sprachen mit Marina Schubarth über die bevorstehende Klage gegen die DB AG, über die letzten Überlebenden der "Reichsbahn"-Verbrechen und über Praktiken der Berliner Bundesstiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" (EVZ).

Marina Schubarth wurde in der Ukraine geboren und ist Schweizer Staatsbürgerin. Seit 2003 leitet sie das "dokumentartheater berlin". Dort hat sie mehrere Stücke über Opfer der NS-Zwangsarbeit inszeniert (Foto: Szene aus "Ost-Arbeiter"). Frau Schubarth ist Trägerin der Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte. Für Ihr Engagement wurde sie auch von der Ukrainischen Nationalstiftung "Verständigung und Aussöhnung" ausgezeichnet.

© Daniela Incoronato

 

Zug der Erinnerung: Sie haben die anwaltlichen Recherchen u.a. in der Ukraine und Belarus begleitet. Wie viele Menschen haben dort die NS-Deportationen überlebt?

Schubarth: Die Recherchen erstrecken sich nicht nur auf die Ukraine und Belarus. Untersuchungen und Vollmachten liegen auch aus Russland und Moldawien vor. Allein in der Ukraine gehen die Opferverbände von wenigstens 138 Tausend Überlebenden aus. In der Regel wurden sie per Bahn in die NS-Durchgangslager, Konzentrationslager oder in die Zwangsunterkünfte im damaligen Deutschen Reich deportiert.

ZdE: Wie viele dieser Deportationsopfer hätten nach Auffassung der Berliner Bundesstiftung EVZ Anspruch auf Restitution gehabt?

Schubarth: Das ist alles völlig unklar. Man hat Nachweise verlangt von Menschen, die in jungen Jahren, teilweise noch als Kinder, über das europäische Schienennetz von A nach B nach C verschoben wurden, in Lager unterschiedlichster Art. Vom Zwangsgrad ihrer Inhaftierung und von den genauen Haftorten hingen die Mittel ab, die ihnen von deutscher Seite zugesprochen wurden. Aber wie soll jemand, der damals 13 Jahre alt war, über 60 Jahre später nachweisen, wie seine Bahn-Odyssee verlief? Eine Überlebende hat mir von Fahrten in mindestens drei Lager berichtet, darunter in das KZ Majdanek und Stutthof. Sie hat in Berlin keine Papiere vorlegen können. Also ist sie von der EVZ nicht entsprechend entschädigt worden.

ZdE: Wie hoch sind die Beträge, sofern die Tätererben überhaupt gezahlt haben?

Schubarth: Es gab verschiedene Kategorien. In heutiger Währung hat die EVZ zwischen 2.500 und höchstens 7.500 Euro pro Verschleppten gezahlt. Gefangene, die in der deutschen Landwirtschaft Zwangsarbeit leisten mussten, meist Kinder und Frauen, waren primär nicht anspruchsberechtigt, aber erhielten von den ukrainischen Behörden wenigstens einen geringen Betrag.

ZdE: Gibt es wegen der erfolgten deutschen Zahlungen bei den Opferverbänden eine gewisse Zurückhaltung? Welche Klagebereitschaft besteht in der Ukraine?

Schubarth: In den vergangenen Jahren sind die Praktiken der Bundesstiftung EVZ und die Ignoranz der Deutschen Bahn in der Ukraine teilweise auf Unverständnis, teilweise auf vehemente Kritik gestoßen. Man hat sich ungerecht behandelt gefühlt im Vergleich mit den westeuropäischen NS-Opfern, die über eine Lobby verfügten. Die jetzige Klageankündigung ging in der Ukraine wie ein Lauffeuer um. Tausende haben Vollmachten unterzeichnet und tun das immer noch. Das Verhalten der Deutschen Bahn AG löst Empörung aus. Die jahrelange Lähmung und das Schweigen weichen.

ZdE: Die Berliner EVZ warnt davor, die NS-Opfer "in langwierige Klagen zu treiben" und sie zur Wahrnehmung ihrer Rechte zu "animieren". Das würde dann in "Enttäuschungen enden", heißt es wörtlich. Teilen Sie diese Sorge?

Schubarth: Im Gegenteil. Die Überlebenden sind genug getäuscht worden, u.a. durch die deutsche Rechtspraxis, durch das Verhalten der Deutschen Bahn AG und durch die EVZ. Die NS-Opfer sind nicht länger bereit, sich den Bestimmungen der deutschen Täterunternehmen oder deren Nachfolger zu beugen. Es kann sein, dass ihre Klagen abgewiesen werden. Aber besser sie wehren sich, als dass sie sich den NS-Erben ergeben. Die Sorge der EVZ ist unbegründet. Es scheint sich eher um die Sorge vor einer öffentlichen Diskussion über die zweifelhaften Rechtsgrundlagen der EVZ zu handeln.

ZdE: Wann wird die Klage in den USA eingereicht?

Schubarth: Die Vorbereitungen sind in vollem Gange. Im Juni, spätestens im Juli, wird es so weit sein.