Sehr geehrter Herr Mehdorn,
unsere Menschen, Mitglieder der Jüdischen Gemeinden Berlins mussten von 1941 bis 1945 in die Züge der Deutschen Reichsbahn steigen. In Maidanek, Treblinka und Ausschwitz wurden sie ausgeladen und vergast.
Keine LKW-, Bus oder Schiffflotte, keine Luftbrücke hat die systematische Deportation der Juden zu den Vernichtungslagern im Osten betrieben. Es war Ihr Unternehmen. Es war die Deutsche Reichsbahn, deren Rechtsnachfolge bei Ihnen heute liegt. Sie sind ihr Chef. Als die Kriegsfront näher heran rückte, als die allierten Bomber Europas Himmel Tag und Nacht bereits kontrollierten haben Beamte, Angestellte und Arbeiter der Reichsbahn pflichtbewusst unter Einsatz ihres Lebens alles dafür gegeben, auch die letzten alten und kranken Juden, die Frauen und Kinder aus Budapest und Berlin in die Vernichtung zu fahren. Ohne die penible und engagierte Organisation und Durchführung der Todeszüge durch die Deutsche Reichsbahn bis zum Frühjahr 1945 wären vom deutschen Staat nicht 6 Millionen Juden ermordet worden.
Sehr geehrter Herr Mehdorn,
lassen Sie bitte den "Zug der Erinnerung" in den Berliner Hauptbahnhof und in den Bahnhof Berlin-Grunewald. Lassen Sie diese kleine, leise, bescheidene Trauerbezeugung und Ehrung der Opfer zu. In Könige II heißt es "Haratzachta wegam jaraschta?" Es darf aber nicht ein, dass nach dem Mord auch noch die Verhöhnung folgt.
Berlin, 4. April 2008 / 28. Adar 2008 / Erew Schabbat Tasria - Paraschat Hachodesch