HAMBURG - Von Ostermontag bis Freitag Abend haben etwa 10 Tausend Hamburger die Ausstellung im "Zug der Erinnerung" besucht. Dies melden die pädagogischen Begleiter, die auf dem Bahnhof Altona als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. An Gleis 5 des Bahnhofs wurde der "Zug der Erinnerung" am Mittwoch von Andreas Grutzeck (Vorsitzender der Bezirksversammlung, CDU), Erhard Pumm (Vors. des DGB Hamburg) und Esther Bejerano (Auschwitzkommitee) begrüßt. Ruben Herzberg von der Jüdischen Gemeinde Hamburg hielt dort die folgende Rede, die wir in Auszügen dokumentieren:
"Ich stehe heute hier für die ungefähr 3.000 Hamburger Juden, die es inzwischen in Hamburg wieder gibt. Ich stehe aber auch hier als jemand, der seine Großeltern, seinen Onkel und viele andere Angehörige im Holocaust verloren hat. Die deutsche Bahn hat ihren Beitrag dazu geleistet. Die Hamburger jüdische Gemeinde war die zweitgrößte in Deutschland - bis zum Beginn der Nazi-Zeit. Wir hatten hier ungefähr 24.000 Juden in dieser Stadt. Das Totenbuch, das das Staatsarchiv vor einigen Jahren heraus gebracht hat, verzeichnet 8.000 Namen - über achttausend Namen - von Juden, die aus Hamburg stammen oder in Hamburg als Juden den Tod gefunden haben.
Der Beitrag der Deutschen Reichsbahn zum Holocaust ist ein sehr erheblicher...Wenn ich an die Deportationszüge denke, denke ich vor allem an zwei Züge: einer ging von Hamburg aus, der andere ging von Hagen aus. Der Hamburger Zug ist der vom 19. Juli 1942. Er rollte direkt nach Theresienstadt. In ihm saßen 76 Kinder, die in Hamburg noch als Juden Schulunterricht erhielten. Zum Zeitpunkt der Deportation waren sie allerdings keine Schüler mehr, denn am 30. Juni 1942, wenige Wochen vor dieser Deportation, durfte in ganz Deutschland kein jüdisches Kind mehr Schulunterricht erhalten...
Der andere Zug, an den ich denke, ist ein Zug, der am 2. März 1943 - also vor fast genau 65 Jahren - die Stadt Hagen in Westfalen verlassen hat. Es war ein kalter Tag, so wie heute - mindestens - und meine Großeltern, Leopold Laser und Else-Eva und mein Onkel - er war gerade 17 Jahre alt geworden - Heinz-Egon Günter, waren in diesen Zug gepfercht worden. Er hatte einen Bestimmungsort, den erreichte er nach mehreren Tagen. Dieser Ort hieß Auschwitz. Auf der Liste, die - sorgfältig geführt natürlich - dokumentarisch erhalten ist, sind alle Namen verzeichnet. Als Insassen des Zuges. Auf der Liste, die in Auschwitz geführt wurde - wo alle diejenigen erfasst wurden, die als Arbeitssklaven am Leben gelassen wurden - tauchen ihre Namen nicht auf und das bedeutet für jeden, der weiß, was geschehen ist: Sie sind entweder unmittelbar nach der Ankunft ermordet worden - und zwar entweder im Krematorium II (links der Rampe) oder im Krematorium III (rechts der Rampe) - in Auschwitz - oder aber - und das weiß ich bis heute nicht - sie haben die Fahrt gar nicht überlebt und sind schon als Tote in Auschwitz angekommen...
Die Deutsche Reichsbahn war in diese Dinge organisatorisch intensiv eingebunden... Dass die Deutsche Bahn AG heute, im März 2008 in Hamburg und auch an anderen Orten, den "Zug der Erinnerung" nicht mit offenen Armen begrüßt - dass die Deutsche Bahn AG es nicht für eine Selbstverständlichkeit hält, das Gedenken einer Initiative die sie nicht angestoßen hat - die sich aber mit der Geschichte des Schienenverkehrs in Deutschland beschäftigt - zu unterstützen, das empört mich. Das wundert mich nicht nur. Ich kann es nicht begreifen..."
Eine ausführliche Redefassung finden Sie hier