Zug der Erinnerung
Ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen
In Kooperation mit:
Region Bonn
Rheinland-Pfalz
Sehr geehrte Damen und Herren,
der „Zug der Erinnerung“ hat eine neue Fahrt begonnen und befindet sich jetzt fast zwei Jahre auf den Schienen der früheren Deportationswege. 240 Tausend Menschen sind in die Ausstellung des Zuges gekommen und haben ihn zu einer mobilen Gedenkstätte werden lassen – trotz enormer Widerstände, die bis heute anhalten. Vor uns liegen Dutzende weiterer Stationen. Wir sind entschlossen, den Behinderungen zu widerstehen, um die Kinder und Jugendlichen zu ehren und die Täter -ebenso wie ihre Wiedergänger- beim Namen zu nennen.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Joisten:
Daß die Bundesstadt Bonn mit ihrem Engagement die Einfahrt des Zuges ermöglicht hat, ehrt die ermordeten Kinder in besonderem Maße. Ich denke dabei an das Bild von Ruth Herz, die im Alter von 17 Jahren aus dem damaligen Bonner Vorort Beuel deportiert wurde und nie mehr zurück kehrte.
Sehr geehrter Herr Dr. Bolens:
Daß der Landschaftsverband Rheinland die Fahrt des Zuges in den Städten seiner Region seit einem Jahr unterstützt, ist ein Signal der Erinnerung. Ich denke an das Mädchen Elli und die Opfer der Euthanasie-Morde im Rheinland.
Sehr geehrter Herr Szentei-Heise als Vertreter des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein:
Daß Sie uns, die Nachfahren der Täter, bei der Erinnerung begleiten, macht uns mutiger, aus dem Mord an Ruth Herz Konsequenzen zu ziehen.
Bevor Ruth Herz und 200 andere ihres Alters aus der Bonner Region starben, haben die demokratischen Kontrollmechanismen des deutschen Staat versagt. Dieses Versagen, das in eine lautlose Durchsetzung der Verbrechen überging, war der Beginn des Todes von Ruth Herz. Es ist zu spät, in das bürokratische Regelwerk der „Reichsbahn“, des Reichsverkehrsministeriums und all der anderen Behörden einzugreifen, die nur ihre sogenannte Pflicht taten und dabei Ruth Herz ermordeten.
Heute, unter völlig anderen Verhältnissen, ist es nicht zu spät, die staatlichen Institutionen an ihre wirklichen Pflichten zu erinnern.
Sie müssen dem steigenden Pegel rassistischer Gewalt kompromißlos begegnen, dem Antisemitismus, dem nationalistischen Größenwahn. Sie dürfen sich nicht auf ihr bürokratisches Regelwerk zurück ziehen. Es sollte in ihrem eigenen Interesse liegen, die gesellschaftlichen Initiativen des Gedenkens und Handelns gegen Neonazismus vorbehaltlos zu fördern - so wie es die Stadt Bonn und der Landschaftsverband Rheinland tun.
Doch das ist die Ausnahme.
Die Regel unserer Erfahrungen ist es, daß den Bürgerinitiativen Bedingungen gestellt werden, daß sie am Desinteresse und an der Kälte staatlicher Institutionen abprallen.
„Wir handeln im Rahmen unserer Pflichten“ sagt die Landeszentrale für politische Bildung NRW, und versagt dem „Zug der Erinnerung“ eine angemessene Unterstützung. „Wir halten uns strikt an die Gesetze“, sagt der Vorstand der Bahn AG und belegt den „Zug der Erinnerung“ mit horrenden Gebühren. „Darüber sind wir bestürzt“, sagt die Bundesregierung, aber ändert seit zwei Jahren nichts. Ähnliche Erfahrungen machen unzählige Bürgerinitiativen.
Angesichts der Ereignisse von Dresden, wo 6 Tausend Neonazis durch die Stadt marschierten und Andersdenkende krankenhausreif schlugen, ist die staatliche Praxis, die wir beklagen, ein Skandal.
Dies sagen wir laut, weil wir Ruth Herz und all die anderen durch diplomatisches Schweigen nicht lebendig machen können, jedoch vor ihrem Tod eine Verpflichtung empfinden.
Sehr geehrte Gäste und Ehrengäste:
Kommen Sie mit uns in den „Zug der Erinnerung“ und sehen Sie in die Gesichter der Kinder, die nie mehr zurück kehrten.
Erinnern wir uns gemeinsam an damals - und handeln wir heute!