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Zug der Erinnerung
Ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen

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330.000 Menschen auf 96 Bahnhöfen haben der Deportierten gedacht

Der Zug beendet die Frühjahrsetappe/ Mitgliederversammlung entscheidet über die Weiterfahrt im Herbst/ Anfragen aus ganz Deutschland

April 2009: Empfang der Ausstellung auf Gleis 35 im Münchener
Hauptbahnhof. Am Rednerpult (ganz rechts) Oberbürgermeister Christian
Ude. Sitzend Überlebende der "Reichsbahn"-Deportationen.

DORTMUND - Auf einer Mitgliederversammlung wird die Bürgerinitiative "Zug der Erinnerung" in den kommenden Tagen über neue Stationen des Gedenkens beschließen. Einladungen liegen aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg vor. Die Weiterfahrt kann nach den Sommermonaten beginnen (Fahrplan). Wegen erhöhter Brandgefahr durch Funkenflug ist ein verlässlicher Dampflokverkehr ab Ende Mai bis September nur schwer möglich. Stimmt die Mitgliederversammlung zu, wird die kommende Fahrt bis Anfang 2010 reichen.

Die Frühjahrsetappe, die jetzt mit einem viertägigen Aufenthalt in Wiesbaden abgeschlossen wurde (Bericht), hatte an 26 Deportationsorte geführt. Einlader waren private Trägerkreise oder Kommunen. Lediglich in Rheinland-Pfalz trug die dortige Landeszentrale für politische Bildung zur Finanzierung entscheidend bei. Hessen, Bayern und Baden-Württemberg lehnten Förderungen rundweg ab. Die Öffentlichkeit ließ sich davon nicht beeindrucken: Insgesamt 90.000 Besucher und Besucherinnen kamen seit Anfang März auf die Bahnhöfe - im täglichen Durchschnitt über 1.000 Menschen.

Dieser große Zuspruch für das Gedenken an die Deportierten motivierte die Bürgerinitiative immer wieder neu - trotz erheblicher praktischer Probleme und politischer Widerstände. Mehrere Vorstandsmitglieder, die einer beruflichen Alltagsarbeit nachgehen, stellten ihren Jahresurlaub oder die Wochenenden in den Dienst der Zugbetreuung; pädagogische Zugbegleiter, die für Gruppeneinführungen sorgten, nahmen geringe Honorare und lange Arbeitszeiten hin - oft 14 Stunden täglich. Manchmal übernachteten sie im Zug, oft stellten ihnen die örtlichen Trägerkreise Privatquartiere zur Verfügung oder sorgten für Spenden kleiner Pensionen, um die finanzielle Belastung so gering als möglich zu halten.

Dieses Zusammenwirken mit den Initiatoren vor Ort ist das praktische und inhaltliche Fundament, das den "Zug der Erinnerung" bei seiner Fahrt durch Deutschland trägt. Ohne die oft jahrelange Vorarbeit der örtlichen Koordinatoren, die den Spuren der NS-Verbrechen in ihren Heimatregionen nachgehen, würde das Gedenken in den bekannten Ritualen versinken oder auf museale Zusammenhänge beschränkt bleiben.

"Die Menschen sind bereit, sich mit dem Versagen ihrer Väter und Großväter zu konfrontieren", sagt Tatjana Engel, Vorstandsmitglied des Vereins "Zug der Erinnerung". "Sie sind bereit, wenn ihnen die Chance gegeben wird, sich an alltäglichen Orten von den Tätern loszusagen und die Opfer in ihr Leben zu integrieren."

Seit November 2007, dem Beginn der ersten Zugetappe (Bericht), kamen 330.000 Besucher auf die Bahnhöfe. Viele verließen den "Zug der Erinnerung" erschüttert und mit einem tiefen Mitgefühl für die Deportierten. Davon zeugen auch die Eintragungen in das ständig ausliegende Gästebuch der Zugausstellung. Wir bringen in den kommenden Wochen Auszüge aus den bisher besuchten Städten.


Bundestagsabgeordnete für den "Zug der Erinnerung"

Die Grünen bringen Resolution in den Bundestag ein/ Parteiübergreifende Entschließung im Verkehrsausschuss angestrebt/ Briefe an den neuen Vorstandsvorsitzenden der Bahn AG

Berlin-Ostbahnhof 2008: Winfried Hermann mit
Tochter Lena (rechts) im "Zug der Erinnerung".
Foto: Matthias Winkler

BERLIN - Mit einer Resolution will die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen den Bundestag zu konkreten Schritten für den "Zug der Erinnerung" bewegen. Die Abgeordneten Winfried Hermann, Katrin Göring-Eckardt und ihre Kollegen schlagen vor, das Parlament möge bei der Bundesregierung darauf hinwirken, "dass die DB AG dem Verein 'Zug der Erinnerung' einen Betrag spendet, der der Höhe der anfallenden Trassen- und Stationspreise für die Jahre 2007 bis 2009 entspricht." Bisher hat der "Zug der Erinnerung" an die DB AG über 150.000 Euro zahlen müssen. Weiter heißt es in dem Antrag: "Alternativ soll dem Projektträger durch den Bund eine Zuwendung in Höhe der von der Deutschen Bahn (DB AG) erhobenen Gebühren gewährt werden." (Volltext)

Der Antragstext ähnelt dem Beschluss C 59, den der Bundesparteitag der CDU im Dezember 2008 in Stuttgart fasste. Auch dort war verlangt worden, "dass die Deutsche Bahn AG auf Streckenentgelte für die Nutzung des Gleiskörpers sowie auf Stehgebühren in den Bahnhöfen verzichtet; alternativ soll dem Projektträger durch den Bund eine Zuwendung in Höhe der von der Deutschen Bahn erhobenen Gebühren gewährt werden." Von einer Umsetzung dieses CDU-Beschlusses ist seitdem nichts bekannt geworden.

In einem zweiten Antragspunkt fordert jetzt die Fraktion der Grünen, "dass der Zug mit der Ausstellung über die Deportation von Kindern in Vernichtungslager nicht mehr - wie in München - behindert wird und auf Bahnhöfen an repräsentativen Orten gezeigt und sichtbar beworben werden kann." (Archiv)

Parallel streben die Grünen im Verkehrsausschuss des Bundestages eine parteiübergreifende Initiative an, die sich an den neuen Vorstandsvorsitzenden der DB AG, Dr. Rüdiger Grube, richtet. Zu einem gemeinsamen Votum hatten die verkehrspolitischen Sprecher sämtlicher im Bundestag vertretenen Parteien bereits im April 2008 gefunden und an den damaligen Bahnchef Mehdorn sowie an den Aufsichtsratsvorsitzenden Müller appelliert - damals vergeblich (Originalschreiben).

Auch SPD-Politiker wie Georg Rosenthal (Würzburgs Oberbürgermeister) oder Christine Strobl (Münchens Zweite Bürgermeisterin) ermuntern die DB AG jetzt verstärkt, ein neues Kapitel der Unternehmenskultur zu öffnen und mit einer konsequenten Aufarbeitung der deutschen Eisenbahngeschichte endlich zu beginnen (Appelle). Es ist die Geschichte der Beihilfe zum größten Massenmord seit Menschheitsgedenken. Diesem Eingeständnis steht nicht nur der bisherige Boykott gegen den "Zug der Erinnerung" im Weg. Wie das Beispiel des DB-Verkehrsmuseums Nürnberg zeigt, muss der vernebelnde Umgang mit der Bahn-Vergangenheit insgesamt auf den Prüfstand (Pressemitteilung).



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